Teil 2 meiner Serie „Künstler, die ich nicht mag“ – heute geht es um Oskar Kokoschka. Kokoschka wurde 1886 in Pöchlarn, einer kleinen Stadt in Niederösterreich, geboren und gilt neben Klimt und und Schiele als einer der bedeutendsten Wiener Künstler und Vertreter des Expressionismus. Er besuchte die Kunstgewerbeschule in Wien und wurde von Carl Otto Czeschka gefördert. Unter dem Einfluss von Adolf Loos lehnte er den Jugendstil ab - für ihn stand im Vordergrund der Mensch, und zwar nicht seine äußere Hülle, sondern sein Wesen. Man sagte ihm nach, er sähe den Menschen unter die Haut. Er wandte sich schon früh vom damals angesagten Jugendstil ab und entschied sich schon für eine wildere, expressive Malweise. Dabei zeigte er Mut zur Hässlichkeit und stellte auch Alter und Krankheit dar. 1910 zog er nach Berlin und schuf Federzeichnungen für das expressionistische Magazin “Der Sturm”. Sein Drama “Mörder, Hoffnung der Frauen” sorgte für Aufsehen.
Bei der meiner Recherche sind mir zwei Sachen aufgefallen. Erstens: ich muss zugeben, dass ich nicht umhin kam, doch eine gewisse Anerkennung für den Künstler zu empfinden. Ich schätze an ihm besonders, dass er sich so radikal für einen ehrlichen, tief blickenden und ungeschönten Blick auf die Menschen entschied und das entgegen der angesagten Avantgarde. Ich mag Künstler, die Mut zur Hässlichkeit haben und sich nicht um Gefälligkeit bemühen. Kokoschka war außerdem ein sehr rastloser Mensch, er hatte viel Energie (wie man auch an seinen Bildern erkennt) und war viel unterwegs - in Europa, aber auch Südafrika und England. Seinen eigenen Aussagen nach ging es ihm stets um den Menschen und um die Seele. In einem Interview beklagte er, dass die Welt so Seelenlos geworden ist, das Individuum nicht mehr zählt, Menschen auf ihre Funktion, ihre Wirtschaftskraft reduziert werden. Wenn er spricht, spürt man seine Energie, er hat viel zu sagen, redet ohne Punkt und Komma, bis im der Mund austrocknet und er einen Schluck Wasser bracht, um weiter zu sprechen.
Die zweite Sache, die mir auffiel, ist, dass er sehr selbstbewusst erscheint. Zweifel an sich oder seinem Werk konnte ich keine finden. Er fand früh Bestätigung seiner Kunst und erzählt mit tiefer Imbrunst davon, wie er sich gegen die idealisierte, zwei-dimensionale Kunst seiner Zeit auflehnte und seinem eigenen Empfinden folgte, den Raum erweiterte in seinen Bildern und alle damaligen Kunst-Doktrine in den Wind schlug. Ich nehme ihn als einen energiereichen, vor Kraft strotzenden, von seinem Talent überzeugten Menschen wahr, der immer nach innerer Unabhängigkeit, Freiheit und Selbsterkenntnis strebte und sich mutig und wie ein robuster Baum von einem Ort zum nächsten verpflanzen konnte, ohne je an Vitalität einzubüßen. Somit weiß ich nicht so recht, woher die Aussage meiner Freundin kam, als sie auf meinen Facebook-Post antwortete "Munch, van Gogh, Trakl, Kokoschka, Schiele, af Klint, Modersohn Becker haben auch so empfunden. Und sie alle waren GROSS" (ich hatte darin über meine Selbstzweifel geschrieben und wie sehr ich immer wieder alles komplett in Frage stelle und in die Ecke werfe, was ich anfange, weil ich nicht an meinen Erfolg glaube).
Wie auch immer, ich persönlich sehe keinerlei Parallele oder irgendweine Charakterähnlichkeit zwischen mir und Kokoschka, und vielleicht ist das auch der Grund, warum mich sein Werk nicht anspricht - ja im Gegenteil, es stößt mich sogar ab. Tatsächlich fällt es mir schwer, zu verstehen, was genau mich daran so abstößt. Äußerlich ist es die augenscheinliche Häßlichkeit seiner Farbpalette, die flirrende, pastöse, bewusst "schlampige" Malweise, die Überladung seiner Bilder... es ist mir alles zu viel, zu laut, zu häßlich, zu brutal. Ich finde nicht den Tiefblick in seinen Bildern, die "Aura im Raum", wie er es beschreibt, ich kann seine Bildsprache nicht entziffern. Sie bleibt mir verschlossen, hinter einem Vorhang aus nervös-flimmernden Pinselstrichen. Erstaunlich, bin ich doch eigentlich ein großer Fan von Künstlern, die grob, schnell, energievoll malen. Ich liebe Jonathan Meese, es war Liebe auf den ersten Blick, als ich vor seinem Triptichon stand, vollgeschmirt mit Figuren, Sprüchen, Kondomen und Hakenkreuzen. Warum feiere ich Meese während ich Kokoschka nicht anschaun möchte? Was triggert er in mir, das mich so abstößt? Ich weiß es wirklich nicht. Ich konnte es nicht herausfinden.
Ganz anders erlebe ich die Bilder von Liane Merz. Ihre Kunst ist ebenfalls hingerotzt, ungeschönt, will nicht gefallen, ist bewusst "häßlich" - aber sie liebe ich, ich kann gar nicht genug von ihren Bildern kriegen. Ich sehe darin soviel Witz, da ist FRISCHE, da ist ein totales Umarmen der rotzfrechen Göre, der, die sich nichts sagen, nichts verbieten und nichts einreden lässt. Da ist eine Pipi Langstrumpf, die uns die Zunge raus streckt und ihre eigene Welt bestimmt, ihre eigenen Regeln macht. Sie beherrscht ihre Welt und liebt es, sich darin zu bewegen. Sie ist Königin in ihrem Reich mit Ringelstrümpfen und zu großen Schuhen. Sie sucht keine Antworten – sie IST die Antwort! Sie nimmt sich nicht ernst aber hat sich gern. Sie will nicht gefallen oder schön sein – aber sie gefällt und ist wunderbar, frisch, frei, unverblümt, ewig jung. Das lebendige innere Kind, das auf dem Schoß der Erwachsenen sitzt und Papierflieger bastelt. Die, die ewig Schabernack und Schalk im Kopf hat, die aus jedem Spagettiessen ein Abenteuer macht. Die, die so zornig sein kann, dass sie die Bäume erzittern lässt, die sich dreckig macht, alles ausprobiert, vor nichts zurück schreckt, und ganz bestimmt mit dem Sonntagskleid in die große Pfütze springt. Sie ist hat Witz, Humor, Mutt, Lebensfreude und Leichtigkeit. Sie scheißt auf Konformität, Regeln und Anstand. Sie ist frei und liebt ALLES.
Was denkt ihr darüber?
Mehr von Liane Merz findet ihr unter https://www.instagram.com/liane.merz/
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