Ein Satz, der meine Welt und meine Wahrnehmung für immer geprägt hat. Ja, ich kenne so einen Satz, es war ein völlig unscheinbarer, unschuldiger Satz, und doch hat er mich bis heute fest im Griff, ein Satz, der sich wie ein heimtückischer Virus fest in mein Gehirn verankerte, wie ein Filter, eine ständige Zensur, der fortan meine Wahrnehmung und mein Wertesystem für immer bestimmte.
Ein Satz, der meine Welt und meine Wahrnehmung für immer geprägt hat. Ja, ich kenne so einen Satz, es war ein völlig unscheinbarer, unschuldiger Satz, und doch hat er mich bis heute fest im Griff, ein Satz, der sich wie ein heimtückischer Virus fest in mein Gehirn verankerte, wie ein Filter, eine ständige Zensur, der fortan meine Wahrnehmung und mein Wertesystem für immer bestimmte. Der Satz lautete: “Ui, so tolle, schlanke, lange Beine!” Dieser Satz galt nicht mir, sondern meiner Schwester, und diejenige, die ihn mit Begeisterung ausrief, war meine Oma. Ihr Leben lang hatte meine Oma eine Art Fetisch mit Frauenbeinen. In diesem einen Moment, damals im Freibad in Linz, als ich acht Jahre alt war, übertrug sie mir diesen Fetisch wie ein geheimes Familienerbe, oder eher noch: wie einen Fluch. Ich dachte in diesem Moment “Und was ist mit meinen Beinen?” Es wäre mir nie zuvor in den Sinn gekommen, meinen Körper in irgendeiner Weise mit anderen zu vergleichen, ich hatte noch kein Konzept von Schönheit, ich hatte bis dahin noch nie darüber nachgedacht, doch plötzlich dachte ich darüber nach, plötzlich waren meine Beine nicht mehr einfach tolle Geräte, mit denen ich allerhand Abenteuer erleben, laufen, klettern, springen konnte. Plötzlich waren sie ein zu kurz geratenes Aushängeschild, das meinen Wert definierte. Und auf dem Schild stand “Ungenügend”. Von diesem Tag an hatte ich nur noch ein Ziel, eine geheime Mission: schlanke Beine. Auf die Länge hatte ich nun mal keinen Einfluss. Aber auf die Breite sehr wohl. Ich begann meine Essensportionen zu verkleinern. Wenn ich in der Schule mit den anderen Kindern aß, achtete ich penibelst darauf, stets von allen am wenigsten zu essen. Im Sportunterricht studierte ich wie eine Besessene die Beine meiner Mitschülerinnen. Nahezu ALLE hatten sie diese langen, geraden Storchenbeine - nur ich nicht! Meine Beine waren rundlich und kurz. Doch ich ließ mich nicht beirren. Ich verschenkte mein Pausenbrot und behielt nur das Obst, bei den Mahlzeiten trank ich Sprudelwasser, um meinen Bauch zu füllen. Bis heute fühle ich mich nur dann wohl in meinem Körper, wenn ich diese Lücke habe zwischen den Schenkeln. Diese Lücke, diese unendlich wichtige Lücke. Was für ein Mythos, und doch so mächtig. Ich weiß nicht, ob ich diesen Virus jemals heilen werden, auskurieren, ganz von ihm befreit. Ich vermute nicht, aber wenigstens ist das Fieber abgeklungen und mein Gehirn hat heute Raum für andere Dinge. Genug Raum, ja, es hat sich schon viel getan. Dennoch ist seine hypnotische Kraft immer anwesend, wie ein Radio im Hintergrund, an das man sich gewöhnt hat, doch es sendet jeden Tag, 24 Stunden land, non-stop.
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